Allerheiligen in Kroatien

Die einen feiern am Wochenende ganz unchristlich Halloween mit gruseligen Masken und Kostümen, die anderen decken sich mit roten Grablichtern aus Plastik ein. Am 1. November gedenkt man allen Heiligen, am 2. November den Seelen der Verstorbenen. Dieses Wochenende ist in Kroatien der Startschuss für weitere christliche Feiertage, die in den nächsten Wochen und Monaten noch folgen werden. Nach meinem Empfinden schenkt man hierzulande den christlichen Feiertagen noch mehr Beachtung als in Deutschland. Wobei ich das nicht an der Unsitte mit den vielen Plastik-Lampen mit Kerzen und Geblinke von batteriebetriebenen LED-Lämpchen festmache. Gäbe es China mit seinen Wegwerf-Produktionen aus Plastik nicht, würden die Kroaten dennoch ihrer Verstorbenen, ganz offen und ungeniert gedenken. Ansonsten natürlich auch den Heiligen von denen es sehr viele gibt. Manche Kroaten – die älteren sowieso – haben einen Kalender an der Wand mit allen Heiligen nebst den Terminen für die Namenstage hängen, welche hier so wichtig wie Geburtstage sind.

Massenweise Blumengebinde aus Kunststoff werden in den nächsten Monaten ebenfalls im Straßenverkauf und sämtlichen Lebensmittel-Geschäften inklusive den Drogerien angeboten. Länger als ein Jahr werden diese künstlichen Blumen nur in Ausnahmefällen auf den Gräbern stehen. Das gleiche gilt für die Grablichter, die schon öfter mal ausgetauscht werden. Nahezu jeder der Einheimischen sagt in diesen Tagen, dass viele der Leute hier sich gegenseitig mit Grab-Accessoires übertrumpfen wollen. Andere würden nur deshalb an den höchsten Feiertagen – Allerheiligen ist so einer – die Gräber ihrer Verwandten und Vorfahren dekorieren, damit der Rest der Dorfbewohner oder dem Stadtviertel nicht über sie lästert.
Nun ja, die, die die sich regelmäßig darüber mokieren, machen das Spiel Jahr für Jahr selbst mit.

Wie auch immer, auch ich „spiele“ jedes Jahr mit, allerdings aus Gründen der Nächstenliebe, z.B. zuliebe der betagten Mutter meiner Frau und deren Bruder. Für mich hat das was mit Brauchtum und Tradition zu tun. Das ist wenigstens ehrlich gemeint, weil ich spiele keinen falschen Glauben vor, und habe nicht das geringste Interesse daran, es irgend welchen Nachbarn oder anderen Dorfbewohnern mit Massen von Plastikblumen, Lichtern und vielleicht noch einem ferngesteuerten Feuerwerk über dem Friedhof mal so richtig zu zeigen.
Lächerlich aber auch belustigend solche Gedanken…

Aus der Hauptstadt Zagreb wird übrigens auch Jahr für Jahr in den Medien über neue Grablichter-Rekorde berichtet. Diese Foto-Berichte haben einerseits dem Umsatz und Verkauf dieser „Chinaknaller“ für die Friedhöfe im Land zum Inhalt. Andererseits wird aber auch über Gedenkstetten und besondere Plätze mit einem Meer von Grablichtern berichtet.
Würde ich Greta oder Luisa heißen, müsste ich mich nun empört über so viel Plastik zeigen. Da ich aber nur der Tomaten-Michel bin, danke ich lieber für all die wundervollen Gaben der Natur in diesen Tagen. Ich glaube nicht, dass das bisschen Plastik bei uns den Weg ins Meer schafft.

Obendrein besichtige ich verlassene und dem Verfall preisgegebene Wohnstätten einstigen Lebens, die irgendwann mal in Vergessenheit gerieten. Steinerne und hölzerne Zeugen einer Zeit, die aus unserer heutigen Perspektive eher auf ein ärmliches Leben hinweisen, schaue ich mir immer mal wieder genauer an. Ich versuche mir dabei vorzustellen, wie das alles früher wohl ausgesehen haben mag, als Menschen hier lebten.

Und ich bin sicher, dass sie „reicher“ waren als viele „moderne“ Mitbürger wie sie mir heute zuhauf über den Weg laufen. Blass und stumm stehen sie früh morgens an den Bushaltestellen; drängeln in Warteschlangen vor dem Apotheken-Schalter; schieben sich und ihre Einkaufswagen wie ein mobiles Verkehrshindernis durch die Gänge der Lebensmittelläden, oder kämpfen verbissen und so freundlich wie Zombies gegen unzählige andere Untote in ihren Autos um die beste Parklücke am Platz.
Gesehen haben diese Zeitgenossen so gut wie nie die Menschen in den Autos, und auch nicht die in den Läden. Um die kümmert man sich nicht, weil man sie einfach nicht sieht. Und auf dem Friedhof sieht man sie natürlich auch nicht mehr. Wenigstens ein Lächeln hätte man ihnen ja schenken können. Wer weiß, vielleicht hätten sie zurück gelächelt damals?Aber man kann ja beten und sich in einem lichten Moment vornehmen, künftig ein anderer, besserer Mensch zu werden. Ein Versuch ist es immer wert, selbst wenn man es wie der Kettenraucher zum siebten Mal probiert mit dem „aufhören“ …

Spaziergänge durchs Leben

Für mich sind es Spaziergänge durch das Leben anderer Menschen, wenn ich an ihren ehemaligen, teils leider schon verfallenen Häusern und Grundstücken vorbei schlendere. Davon findet man in Kroatien viele, und zwar nicht nur hier in unserer Gegend im schönen Hinterland. Natürlich hängt das damit zusammen, dass junge Leute das Land verlassen haben, um irgendwo anders zu arbeiten und zu leben. Die meisten kommen nicht mehr zurück, ihre Häuser oder die ihrer Eltern und Großeltern verfallen nach und nach.
Es gibt aber auch Häuser aus denen die Menschen flüchten mussten, und eben nicht mehr zurück kamen; aus welchen Gründen auch immer.

Zwischenzeitlich ist meine Sammlung an Bildern hierzu so angewachsen, dass ich mir Gedanken mache, sie auf einer extra Seite mit kurzen Beschreibungen auszustellen. Die Gedanken sind frei und ich bin so frei, mir diese jetzt in einer Jahreszeit mit einer ganz besonderen Witterung zu machen. Nebel im Wechsel mit Sonne, Sprühregen, Duft von verwelktem Laub unter den Füßen. Allerheiligen und Allerseelen steht vor der Tür. Ein passender Zeitpunkt für meine Gedanken und Pläne.