Zeit sich seiner Endlichkeit zu besinnen?
Als “ Alt-Katholik “ in Deutschland aufgewachsen, wurde ich als Knirps schon früh durch meine geliebte Oma dem Religions-Unterricht zugeführt. Der Unterricht fand allwöchentlich in der Sakristei der alten Spitalkirche in Baden-Baden statt. Bestens in Erinnerung habe ich diese Kirche, als sie noch nicht modernisiert und in der Länge baulich gekürzt worden war. Seitlich (nördlich?) an der Kirche entlang, befand sich damals ein uralter Friedhof, der hinter dem christlichen Tempel immer breiter wurde. Verwitterte Holzkreuze und krumme Grabsteine vermittelten insbesondere in den Wintermonaten eine spezielle Atmosphäre. Ein schmaler Weg führte durch diesen nicht eingezäunten Friedhof, der – so kann ich nur vermuten – zu dieser Zeit schon nicht mehr „in Betrieb war“. Also diese Lagerstätte für die Gebeine von mehr oder weniger gottesfürchtigen Menschen, die Zeit ihres Lebens mehr oder weniger nett zu ihren Mitmenschen gewesen waren.
Jedenfalls führte der Weg durch den gespenstisch wirkenden Friedhof meine Freunde und mich regelmäßig zum Steighausplatz, einer kleinen Wiese, die wir zum Fußballspiel nutzten. Heute würde man Bolzplatz dazu sagen. Damals nahmen wir die aus unserer Sicht geeigneten Naturplätze innerhalb der Stadt einfach für unsere Zwecke in Beschlag. Wir Kinder brauchten nicht unbedingt Stadtplaner und Sozialpädagogen für kindgerechte Einrichtungen, sondern übernahmen einfach selbst die Verantwortung für das, was aus unserer Sicht gut für uns war.
Aber nochmal zurück zu diesem längst nicht mehr sichtbaren Friedhof und der immerhin noch vorhandenen Kirche mit der hässlichen und unbequemen Bestuhlung aus den 1960er-Jahren. Wie ich zufällig erfuhr, wurde auch diese zwischenzeitlich gegen zweckmäßige Sitzgelegenheiten aus Metall ersetzt. Offensichtlich wurde das Knien beim Gebet von den Baden-Badener Alt-Katholiken abgeschafft, denn dafür bieten die „neuen“ Stühle keine Vorrichtungen mehr. Aufgrund des aktuell vorherrschenden Zeitgeist hierzulande, würde es mich nicht wundern, wenn ein Teil der Stühle bald auch durch Orient-Teppiche ersetzt wird. So viel Ehrerbietung und abstruse Integrations-Maßnahme gegenüber zugewanderten Völkern aus dem Morgenland, muss einfach sein und würde meines Erachtens an der christlichen Himmelspforte den Einlass beschleunigen. Ob dort dann – anders als auf irdischen Friedhöfen – tatsächlich Ruhe zu erwarten ist?
Von wegen ewiger Frieden
Dass dieser ehemalige Friedhof inmitten des so genannten Bäderviertels samt der einst größeren Kirche in Baden-Baden früher einmal für die Einwohner bedeutend gewesen sein muss, davon bin ich überzeugt.
Es gab wohl auch in Deutschland mal eine Zeit, in der man seine Toten fußgängig für die noch Lebenden zur vermeintlichen Ruhe legte. An den vor mir noch wahrgenommenen Friedhof, erinnert heute absolut nichts mehr. Ich nehme an, dass das auch so gewollt ist. Anstelle eines naheliegenden historischen Augustabad, errichtete man gleich nebenan das Caracalla-Bad. Welcher Fremde, welch ungewaschener Mensch, zum Beispiel aus dem nahen Elsaß, würde sich schon gerne zum Waschtag in ein Thermalbad karren lassen, das teilweise auf einem Friedhof errichtet wurde. Im Außenbecken blubbert das heiße Thermalwasser genau dort, wo einst die Gebeine der Badner begraben lagen. Vermutlich wurden die meisten alten Knochen bei den Ausgrabungen gefunden und – so darf man nachlesen – in einem Stadtteil von Baden-Baden zur – hoffentlich – letzten Ruhe verbracht.
Es ist also alles gar nicht so einfach mit dem Frieden nach dem Ableben, wie mir scheint. Aus Platz- aber wohl auch Kostengründen, verschwindet man heute gerne auch in Urnen. Alte und jüngere Knochen werden derweil auf entweihtem Boden in der Caracalla-Therme verwöhnt. Ob den Projektplanern bei der Namensgebung damals ein wenig der Schalk im Nacken saß? Kaiser Caracalla war zu seiner Zeit bekanntlich ja eine schillernde Figur mit angeblichen Hobbys sadistisch-frivoler Art.
Wie auch immer, das Hotel “ Geist “ mit Gastwirtschaft gleich gegenüber der alten Kirche, verschwand wie der Friedhof spurlos. Nichts erinnert mehr an diese Zeit, in der die Lebenden und Toten so nah beieinander waren. Als Knirps war ich noch ein paar Mal vom damaligen Pfarrer Lieser in der Adventszeit zum Essen im Geist eingeladen. Das war so Tradition gewesen. Also ganz ohne Eltern, nur wir vier-fünf altkatholische Kinder mit dem Herr Pfarrer.
Her mit den Gaben, ihr bigotten Weiber!
Ich kann mich an keinen einzigen Mann erinnern, der am Sonntag nach dem Gottesdienst auch mich als Bettler der Kirche mit irgend einem „Extra“ am Ausgang bedachte. Meine Messdiener-Uniform schien nur die Weiber zu beeindrucken. Gibt es also doch einen Unterschied zwischen Mann und Frau?
Die Jahre vergingen genau so wie meine Lust, für eine Deutsche Mark sonntags Messdiener in der Kirche zu spielen. Spaß machte mir damals schon viel mehr das Singen in der Sakristei anlässlich des Religionsunterrichts. Geld war für mich kein Lockmittel. Es machte mich aber zu dieser Zeit schon unbewusst stutzig, dass man mir dieses Honorar versprach, und nebenbei die Möglichkeit eröffnete, am Ausgang nach dem Gottesdienst als Messdiener mit dem Bettelkörbchen meine Kinderhand für zusätzliche Gaben den Fans der Kirchengemeinde entgegen zu halten.
Ich machte es zwei Mal, beim dritten Mal flog mir die schwere Bibel am Altar während der Predigt laut krachend auf den Boden. Nein, liebe Leser, wirklich nicht absichtlich. Diesem Pfarrer hatte ich aber gewiss mit meiner Ungeschicklichkeit das nach der Verteilung der Hostien stets anstehende Leersaufen des Kelchs verdorben.
Pfarrer Josef Lieser stand auf Badischen Weißwein, so wie ich einige Jahre später. Doch bis dahin sollten noch so einige Jahre ins Land ziehen. Jeden Monat besuchte der Pfarrer uns daheim, bis ich eines Tages hörte, dass er auf dem Weg zu uns einen Herzinfarkt erlitt, den er nicht überlebte.
Und jetzt bin ich weit weg – zeitlich wie räumlich – von all dem als Kind erlebten. Eine neue Adventszeit beschäftigt meinen Geist, so wie eigentlich seit meiner Kindheit schon. Es ist eine schöne Zeit, finde ich.
Ich mag Nebel – hier in Kroatien Magla genannt – in dieser Jahreszeit. Ich muss nicht auf einen Feiertag, wie zum Beispiel den ersten Weihnachtstag, warten, um mir Gedanken über mein Dasein auf Erden zu machen.
Habe ich alles richtig im Leben gemacht? Natürlich nicht! Habe ich Menschen in meinem persönlichen Umfeld verletzt und enttäuscht? Na klar! Fragen über Fragen, die man sich richtigerweise selbst stellen darf und sollte. Zu jeder Jahreszeit. Man kann dadurch nur klüger werden, denke ich. Und man kann sogar mit Menschen Kontakt aufnehmen, mit denen man mal einen Disput hatte. Na und, den kriegt man auch nachträglich noch behoben.
Sich selbst aber zu bemitleiden, ausgerechnet zur Weihnachten, ist sicher nicht der Weg zur „Erleuchtung“.
Meiner eigenen menschlichen Unzulänglichkeiten bin ich mir – glaube ich – bewusst. Wenn man alt und krank wird, wird man nicht schlauer, aber man gibt sich zwischendurch quasi zwangsläufig mal Zeit zur Besinnung. Advent ist für mich mehr Anlass, mal inne zu halten. Ich kaufe immer noch gerne ein paar Sachen ein, die mir vielleicht Spaß machen könnten, aber nicht „notwendig“ sind. Den komischen Kaufrausch bin ich aber weitgehend los. 😉
Nun, ich bin auch nicht nur aus einem einzigen Grund in die Einöde nach Kroatien „geflohen“. Die meisten fliehen von dort dahin, wo ich her komme. Komisch, nicht wahr?
Weihnachten wird bei mir/uns auch hier gefeiert, ganz ohne Trauer und einsamer Besinnung. Die Gedanken um mein eigenes Dasein kann ich mir lange davor machen, in der Adventszeit. An Weihnachten wird gefresst, gesofft und abgehängt. Nicht mehr und nicht weniger.
Lasst es euch gut gehen
Zu jeder Stunde, an jedem Tag und zu jeder Jahreszeit. Weihnachten brauchts nicht, um das eigene Leben zusammen mit seinen Liebsten zu feiern. Na klar, es ist ein guter Anlass dafür. Aber nicht Glauben, sondern selbstständiges Denken ist entscheidend für eine Glückseligkeit, die sich einjeder „normalerweise“ wünscht.
In diesem Sinne wünsche ich alle lieben Lesern meines Blogs eine wundervolle und glückliche Zeit.
Lasst euch das Leben in jedweder Form schmecken. Es ist eines der letzten voraussichtlich…. 😉
Freichrist343 meint
Das Christentum muss erneuert werden. Bitte googeln: Manifest Natura Christiana
Crista H, meint
Die Katze Monika habt ihr aus Deutschland mitgenommen?
Hoffentlich geht es ihr gut?
Mein Mann und ich werden nächstes Jahr im März endgültig die Zelte in Hamburg abbrechen. Haben nur gewartet, bis der erste von uns in Rente kann. Das Leben ist ja auch in Kroatien nicht für umsonst zu haben. Aber was erzähle ich da, Du schreibst das in Deinen Beiträgen ja ganz richtig. Ich hätte mich aber nicht wie ihr getraut, ohne Rente oder sonst festes Einkommen auszuwandern. Wenn man in Kroatien einen Arbeitsplatz findet, ist die Bezahlung dafür nicht gut. Deshalb wandern ja neben jungen sogar auch ältere Kroaten aus.
Schöne Vorweihnachtszeit Deiner Frau und Dir und allen die hier mitlesen.
Wir feiern unser letztes Weihnachten in der alten Heimat mit ein paar Freunden. Gleich danach beginnen wir mit dem Verkauf von unwichtigem Balast.
Unser Häuschen steht in der Prärie von Karlovac. Vielleicht läuft man sich mal über den Weg?
Crista
Tomaten Michel meint
Die Monika stammt von hier, sie hatte uns vor ein paar Jahren sozusagen ausgesucht. Drei Katerchen hat sie uns geschenkt. Alle drei haben sich auf und davon gemacht, nachdem sie gut genährt und alt genug geworden waren. Monika blieb bei uns die letzten Jahre. Und ich Dusel bin wohl über sie gefahren 🙁 Sofort zur Tierärztin, die lediglich einen ausgebrochenen Zahn feststellte. Schmerzmittel, Antibiotika … und weg war sie. Ich fürchte, sie hat es schlimmer erwischt, die alte Dame… Seit Tagen war sie nicht mehr gesehen.
Ich nehme an, dass ihr euch Eigentum in Karlovac angeschafft habt? Arbeit gibt es ja genug hier, aber wie Du richtig sagst, die ist meist nicht gut bezahlt.
Ich hatte damals halt vorzeitig Versicherungen auszahlen lassen. Ein wenig Tantiemen aus früherem Schaffen noch ein paar Jahre kassieren können. Und dann halt in ein schuldenfreies, bescheidenes Häuschen hier ziehen können.
So ging das auch mit Selbstversorgung durch Gemüseanbau dann ganz gut.
Habt ihr keine Angst, dass man euch eure letzte Weihnachtsparty in der Heimat vermiesen könnte?
Ännchen meint
20.9. Heimlichkeiten
Gibt es heut‘ noch Heimlichkeiten,
so wie aus meinen Kinderzeiten?
Wo lange vor dem Weihnachtsfest,
gestrickt, geschraubt, gebastelt wird und der Rest
ganz heimlich gekauft und versteckt wird im Schrank.
Vor lauter Vorfreude wird man fast krank.
Und doch gibt es dann wie in jedem Jahr
Puppenstube, Kaufmannsladen, ist doch klar.
Vielleicht ml ein Schlitten oder Roller, neu aufpoliert,
ein Fahrrad, Glück, wo man die Fassung verliert.
Aber Heimlichkeit zur passenden Stund‘
machen den Sinn von Weihnachten doch erst kund.
Weihnachtslieder singen und musizieren,
der Seele Weihnachtsnahrung zuführen,
leuchtende Kinderaugen und die Freude spüren,
die Seele auch mal zu Tränen rühren,
das machte meine Kinderzeit aus,
doch was macht man heute draus?
Technik und Handys, die schon perfekt sind,
Puppen, die essen und reden, weit entfernt von jedem Kind.
Wo keiner mehr mit dem anderen spielt,
weil er im Nintendo die anderen killt.
Die Phantasie der Kinder wecken
und ihnen Rätsel in die Stiefel stecken,
Bratapfel statt Pommes, Kerzenschein statt LED Bögen,
die Kinder von heute würden es mögen.
In diesem Sinne Weihnachten neu überdenken
und statt Geschenke sollte man Zeit für den Anderen schenken.