Nur weil ich vom Sternkreiszeichen gleich doppelter Steinbock bin, sagen mir Urlaube an der Meeresküste nicht so zu?
Eine betagte Dame, die sich ohne finanzielle Gier-Gedanken ernsthaft mit Dingen zwischen Himmel und Erde beschäftigt, deutete das mir gegenüber vor vielen Jahren mal an. Ich will an dieser Stelle aber nicht auf die schier unglaublichen Vorkommnisse eingehen, die mit dem Zusammentreffen mit dieser Frau zusammen hängen. Vielleicht ein ander mal zu einem besser passenden Thema, als dem von mir heute vorgesehenen.
Seit 35 Jahren warte ich auf jemanden, der mir den Ort an der Küste von Kroatien zeigt, an dem ich mich so richtig wohl fühle. Also so als Tourist, der dort entspannen und einfach nur das Leben genießen will für 10, 14 oder auch 21 Tage. An dieser Stelle ein großes SORRY an alle Fans von Kroatien. Ich will ihnen gewiss nicht ihre Lieblings-Urlaubsorte madig machen, dazu habe ich überhaupt keinen Grund. Es ist für mich übrigens auch nicht nur Kroatien, an dessen Meeresküste ich mich nicht so wohl fühle. Das spanische Festland samt den Inseln Teneriffa, Gran Canaria und Mallorca sind auch so gar nicht mein Ding. Es gibt aber durchaus Länder mit Regionen und Orten am Meer, in die ich mich total verliebt habe. Wie kommt’s bei einem „Steinbock“?
Ich lebe mit meiner Frau weit im Hinterland von Kroatien, also tief im Nordosten – nicht Slavonien, wo scheinbar so viele nach Deutschland ausgewanderten Menschen ursprünglich herkommen! – nicht weit weg von den Grenzen zu Ungarn, Slowenien und Österreich.
Keine zweieinhalb Stunden sind es von uns bis an die Küste, und knapp 250 Km bis in die Hafenstadt Rijeka an der Kvarner Bucht. Theoretisch könnten wir also am Wochenende oder eben spontan für eine Nacht eine Spritztour dort hin machen, wenn, ja wenn einer von uns so narrisch wie anscheinend viele unserer Mitmenschen auf das Meer wäre. Man mag es nicht glauben und kann es kaum fassen, aber ich fühle mich hier in der Einöde, wie sie vor allem von ehemaligen Einheimischen, denen ich in Deutschland begegnet bin, gerne genannt wird, am wohlsten. Berge, Hügel, Hochebenen, Hinterland… ob auf der griechischen Insel Kreta, oder an der spanischen Costa Blanca oder auf Gran Canaria: Mit meiner Frau war ich auch dort überwiegend im hügeligen Hinterland unterwegs. Vielleicht sind wir einst so geselligen Leute auch scheuer geworden, und „flüchten“ immer mehr vor den Menschenansammlungen an Stränden und in den Urlaubsorten?
Wenn meine Frau und ich über das Thema Stadt- und Menschen-Flucht reden, kommen wir immer wieder zu dem Ergebnis, dass wir in unserer Freizeit schon immer einsame Orte aufgesucht haben, an denen wir Entspannung auf unsere Art fanden: Grillen, Lagerfeuer machen, klönen, labern, sinnieren, gar nichts reden, trockenes Geäst und Bäume aus dem Wald schleifen …
Und nun sind wir hier in der Einöde – die Bezeichnung scheint mir zu negativ und gar nicht passend, weil so menschenleer wie es hier manchmal scheint, ist es nicht wirklich. Ja, viele verlassene, teils schon dem Verfall überlassene Häuser finden sich im Dorf und sonst wo auf jeder Straße, wenn man übers Land fährt. Alles Überbleibsel einer Zeit, in der die Menschen unter – aus unserer heutigen Sicht – ärmlichen Umständen sozusagen als Selbstversorger hier lebten. Selbstversorger, die halt einen Teil ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse dem Staat zu „gemeinnützigen Zwecken“ abgeben mussten. Kennt man „den Zehnten“ als Abgabe von Naturalien an Pfaffen und Kirche schon aus dem Mittelalter, so gibt man auch heute ab. Natürlich nett, jedoch irreführender bezeichnet als Steuern, Solidaritäts- und Rundfunkbeiträge, Müllabfuhr- und Abwassergebühren u.s.w. Der Unübersichtlich zuliebe, sind all diese Abgaben natürlich unterschiedlich benannt, dabei handelt es sich eigentlich um Steuern, und sonst nichts! Aber was haben meine umherschweifenden Gedanken nun mit dem von mir heute eingeleiteten Thema zu tun? So gut wie nichts!
Oder vielleicht doch ein wenig zur Erklärung, was meine persönliche Einstellung betrifft, wenn man über Einöde und manchmal auch Pampa redet, über die manche sich gerne lustig machen, nur weil sie sich hipp und zu den vermeintlich aufgeklärten Stadtmenschen hinzugehörig fühlen.
Ich rieche das Meer auch hier manchmal.
Das liegt ganz sicher auch daran, dass sich die Winde kaum noch mit der Nutztierhaltung aus dem Dorf vermischen. Aber vielleicht bilde ich mir auch nur ein, dass meine Haut, die Nase und die Lippen von der salzig-milden Brise des in Luftlinie eigentlich einen Katzensprung entfernten Mittelmeer umschmeichelt werden. Mein von hier stammendes Weib sagt immer mal wieder: „Lecke Dir über die Lippen, schmeckst Du das Salz vom Meer?“ Mal sag ich aus romantischen Gründen JA, ein andermal nervts eher und ich sage: Quatsch.
Nun ja, es mag ein bisschen was dran sein, oder auch gar nichts. Fakt ist aber, dass hier in den Geschäften Meersalz zum leicht bezahlbaren Standard gehört.
Haben Sie schon mal einen Franzosen gefragt, woher er kommt?
Fast jeder kommt aus Paris oder zumindest lebt er in nächster Nähe zu Frankreichs Hauptstadt. Die Leute hier, besonders die jüngeren, leben auf Nachfrage natürlich auch in der Stadt, also dem liebenswerten Provinznest Bjelovar. Eine dank EU-Zugehörigkeit mit all den Vor- und Nachteilen, augenscheinlich aufstrebende Stadt, welche in den letzten Jahrzehnten sich in einem Dornröschenschlaf befand. Auf alle Fälle scheint es den jüngeren Bürgern wichtig, nicht in einem Dorf so wie ich zu leben. In diesen Dörfern leben allenfalls noch ältere Verwandte… Baka, Deda, und vielleicht auch die Mama noch. Sie hinterlassen oft schuldenfreie Grundstücke, sofern der Nachwuchs wegen erhöhten Lebensansprüchen dieselben nicht schon beliehen hat.
Richtig heiß und staubig, aber grün und fruchtig sind die Sommer in meiner Einöde von Nordostkroatien.
Die Hitze eines Sommers steht der in den Küstengebieten in nichts nach. Es gibt sogar Zeitabschnitte in denen sich mancher Küstenurlauber bei uns im Hinterland besser aufgehoben fühlen würde.
Übrigens gilt meine letzte Feststellung auch für die Wintermonate, in denen es an der Küste oft ungemütlich ist. Hier bei uns ist es entweder sonnig und trocken, manchmal sogar über die Weihnachtsfeiertage, oder aber echt winterlich, also mit Kälte und Schnee, so wie viele von uns das aus ihrer Kindheit noch kennen. Graues Schmuddelwetter gibts natürlich auch hier, aber das habe ich ich selten sehr lange erlebt.
In jedem Fall sorgen Kaminofen mit Brennholz aus heimischen Wäldern für eine kuschelige, anheimelnde Atmosphäre mit „Hütten-Feeling“ bei uns in meiner geliebten Einöde.
Natürlich wollen meine Frau und ich auch hier in Kroatien mal wieder ans Meer, obwohl unser letzter Versuch im Jahr 2017 in Novigrad einmal mehr nicht unserem Geschmack entsprach.
Vielleicht habe ich, der sonst immer die Urlaubsziele aussucht, einfach kein glückliches Händchen, was Kroatien am Meer betrifft?
Ich höre und lese oft von begeisterten Kroatien-Urlaubern, so dass ich mich immer wieder mal frage, ob meine Frau und ich nicht ganz richtig „ticken“, denn bei keinem unserer bisherigen Aufenthalte, die zugegeben so häufig auch gar nicht waren, kam bei uns so etwas auf, wie: „geil, da kommen wir bald wieder mal her.“ Eine zauberhafte Landschaft mit einem irre schönen Sonnenuntergang haben wir auch hier.
Aber vielleicht passen wir tatsächlich besser in die Pampa, so wie Winnetou und Old Shatterhand ins Gebiet der Plitvicer Seen, oder dieser deutsche Kriegsflüchtling aus Bremen, den ich im Jahr 1977 im Nachbardorf Velika Ciglena kennen gelernt hatte. Er lebte einfach, aber friedlich und mit Unterstützung der Dorfbewohner außerhalb in einer Hütte in den Weinbergen. Er wollte nicht mehr in seine alte Heimat zurück. Ich auch nicht.
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