Lange bevor McDonalds auch mitten in Baden-Baden eine Filiale eröffnete, gab es schon die kultige Imbissbude „Rigri“ gegenüber dem Löwenbräu. Ab Ende der 1960er Jahre boten die aus Serbien stammenden Betreiber in den kleinen Räumen einer ehemaligen Bäckerei von Currywurst, über Ćevapčići, Grillhähnchen, Schaschlik bis zu Pommes und Kartoffelpuffer auch Hamburger bzw. Cheeseburger an.
Nach so vielen Jahren fällt es mir schwer mit letzter Sicherheit zu sagen, welche der Produkte der Verkaufshit gewesen waren. Ich liege vermutlich nicht ganz daneben, wenn ich an Platz 1 die Currywurst setze. Sie habe ich bis heute nirgendwo anders auch nur annähernd so schmackhaft gefunden. Es handelte sich um eine ziemlich große, nackte Wurst. Mindestens so dick wie die allseits bekannte Bratwurst, nur kerzengerade und doppelt so lang. In zwei Teile geschnitten wurde sie für die Currywurst auf einen rechteckigen Pappteller drapiert, und sogleich beide Bratwurstteile auf einmal mit einem großen Messer in kleinere Stücke geschnitten. Ketchup aus dem Eimer gleichmäßig drüber gepumpt, ordentlich Currypulver – auf Wunsch auch noch mehr oder weniger darüber gestreut, Zahnstocher rein. Fertig. Currywurst-Fans von heute werden vielleicht denken: „Ketchup? Das ist ja gar keine Soße…“ Ich kann hierzu nur erwidern, dass mir die teils seltsam zusammen gepanschten Soßen auf Ketchup-Basis überhaupt nicht schmecken. Ich bin halt ein Kind meiner Zeit diesbezüglich, obwohl ich Neuerungen jedweder Art sehr aufgeschlossen gegenüber stehe. An diesen warmen mit allerlei künstlichen Gewürzen vermengten Pampe-Soßen, finde ich für mich eben keine vorteilhafte Neuerung, weder was das Aussehen, noch was das Aroma, noch was gesundheitliche Aspekte betrifft.
Aber unabhängig von dem einfachen und – glücklicherweise – nicht so eingedickten Ketchup von damals, war diese große, weiße Wurst, die ohne Darm gebraten wurde, sehr lecker. Sie ging mit dem Ketchup und Curry eine einzigartige Symbiose ein. Dieser nicht so süß gewürzte Ketchup schmeckte übrigens sehr Tomaten-fruchtig. Durch die kroatischen Supermarkt-Regale durchprobiert, fand ich hier übrigens einen Ketchup, dem der aus der damaligen Imbissbude sehr nahe kommt.
Gab es in den Seventies bessere Imbissbuden als heute?
Diese Frage hatte ich mir ab und zu schon mal gestellt, wenn ich in den Jahren nach dem “ Rigri “ an manch anderer Imbissbude Currywurst und Pommes überreicht bekam, die einfach nur mies waren. Mit diesen hölzernen Stiften, die man Pommes nennt, kann ich heute noch nichts anfangen. Nicht selten stinken sie nach altem Frittieröl oder werden ein zweites oder gar drittes Mal frittiert, so dass sie wie Kekse sich kaum noch aufspießen lassen. Die Würste scheinen aus einer Miniatur-Welt zu stammen, und die aus Fertig-Produkten zusammen gemixten Soßen scheinen noch am besten zu sein, wenn sie überscharf angeboten werden, was als etwas „ganz besonderes“ dargestellt wird. Nein Danke.
Bald wurde mir aber klar, dass meine auf Balkanart betriebene Imbissbude eben keine typisch deutsche gewesen war. Es gab zwar auch hervorragend gewürzte, fleischige Grillhähnchen, sowie Reibekuchen im Angebot, aber der Großteil war dann doch aus Serbien oder Bosnien importiert.
Apropos Reibekuchen bzw. Kartoffelpuffer. Die wurden damals schon aus Tiefkühlware im Pommesfett auf Essbräune gebracht; schmeckten aber nicht schlecht. Sie waren übrigens für viele ein preiswerter Ersatz für Hamburger. Auf den Preistafeln stand diese Variante zwar nicht, aber als immer klammer Schüler wusste man einfach, dass zwei Reibekuchen mit Ketchup zwischen zwei Mischbrot-Scheiben geklappt, als Hamburger zum 1,-DM-Preis zu haben ist.
Die Pommes kriegte man übrigens auf Wunsch mit Schaschlik-Soße die ersten Jahre ohne Aufpreis. Als diese aufgepimpten Pommes zu häufig bestellt wurden, wurde eine Extra-Gebühr wie für den Ketchup und die Majo dafür erhoben. Diese Schaschlik-Soße war sehr gut gewürzt und köchelte immer sehr lange zusammen mit den Fleischspießen, so dass die Soße alleine schon immer auch viele abgelöste, magere Fleischteile enthielt. Sehr wahrscheinlich könnte sich heute kein Imbissbetreiber – alleine aufgrund der hohen Energiepreise – derart lange köchelnde Schaschlik-Delikatessen mehr leisten.
Anders als heute sahen die Hamburger aus. Diese kuchenähnlichen Hamburger-Brötchen waren damals noch nicht so bekannt, und schon gar nicht wie heute bei jedem Discounter erhältlich.
Bevor der McDonalds-Boom auch vor Baden-Baden nicht mehr Halt machen konnte – zwischenzeitlich ist es zum Glück aus der Altstadt verschwunden, wurden die Hamburger im Rigri mit geröstetem Toast-Brot angefertigt.
Und hier ist mein Rigri-Gedenk-Hamburger!
Meist fragte die Frau gleich nach der Bestellung im Rigri: „Zum mitnehmen?“ – Damit meinte sie natürlich in Kurzform, ob die bestellte Ware für die Mitnahme verpackt werden soll. Einmal antwortete ein Mann auf diese Frage: „Nein, zum essen“.
Die nicht so perfekt deutsch sprechende Frau stutzte kurz, fand diese Antwort dann aber nicht so lustig, wie ich und andere Gäste in der Imbissbude. Trotzdem blieb ich noch lange bei allen Migranten dort gerne gesehener Stammgast.
Heute bin ich zwar nicht in Serbien, um meinen Gedenk-Hamburger vorzustellen, aber in Kroatien schon etwas näher an den Original-Zutaten dran.
Wie oben schon erwähnt, mundet der Ketchup von Zvijezda wie der aus dem Rigri in Baden-Baden. Er ist so fruchtig und würzig wie dieser, und fast genau so dünnflüssig.
Weil ich auch Cheeseburger machen möchte, lege ich stinknormale Scheibletten bereit, ganz so wie damals die in der Imbissbude das gemacht hatten. Außerdem Zwiebel, eingelegte Gurkenscheiben aus der Glaskonserve, Senf und natürlich Toastbrot, welches ich kurz vor dem Ende der Grillzeit der Pljeskavice im Toaster einen Bräunungsgrad verpasse.
Die Pljeskavice habe ich bei Lidl hier im kroatischen Bjelovar aus der Kühltheke. Fertig gewürzt und aus reinem Rindfleisch natürlich, so wie es sich für Hamburger gehört.
Für den Cheeseburger lege ich eine Scheiblette auf die warme Toastscheibe, darüber die gegrillte Pljeskavica, ein paar Zwiebelringe und Gurkenscheibchen drauf, sowie Senf und Ketchup nach Belieben, und dann die zweite Käsescheibe. Toastscheibe drüber, fertig. Guten Appetit.
Fast genau so sah wie oben, sah im Rigri in Baden-Baden der Hamburger aus. Kein Riesenturm, wie die üblichen Hamburger heutzutage. Trotzdem eine ähnliche Sauerei, wenn das Soßenzeug einem zwischen den Fingern hinab lief. Mir schmeckte jedenfalls diese frühe Variante des Hamburgers auf Balkan-Machart sehr gut. Ich bin gar kein so Hamburger-Freak, aber manchmal muss einer sein, und dann am liebsten auf Art der schleckigen Seventies des letzten Jahrhunderts.
Ach, und bevor „alt“ eingesessene Badener mich verbessern werden: Ja, ich weiß, dass nicht alleine eingelegte Gurkenschenscheibchen zu den Rigri-Hamburgern gehörten. Die im Rigri benutzten Puszta-Salat oder wie auch immer diese eingelegte Mischung aus Gurken, Paprika… sich nennt. Außerdem statt der roten Zwiebelscheiben, wurde eine einzige Scheibe einer riesigen Gemüsezwiebel verwendet. Ganz große Klasse und einzigartig gut passend. Ich baue bei uns halt nur Schalotten und rote Zwiebel an.
Jörg van Nahmen meint
Hab mich wegen Deinem Gedenkburger gerade köstlich amüsiert. ?
Darf Dich trösten, auch bei uns am Niederrhein waren die Pommesbuden mal besser.
Grüße aus Xanten
Wolfgang Papenfuß meint
Hey ‚
ich kenne den Rigri und kann Dir in vielem zustimmen.
Für mich war immer „Schaschliksoße“ der Hit.
Da bekamst Du gefühlt 10 Scheiben Brot und aus dem großen Bräter die gehaltvolle Soße,aber ohne Fleisch. Das kostete dann ca 80 Pfennig ; und danach warst Du satt genug um in den Schwarzwaldhof zu gehen und das gesparte Geld zu verflippern.
Oder Dir im Löwenbräu einen Halben zu genehmigen.
War eine wunderschöne Zeit , ich hatte zwar wenig Geld , aber die kleinen Dinge machten glücklich.
Anschließend ins Rondo und dann ins RAF. Den letzten Bus verpasst und zu Fuß nach Oos gelaufen.
Grüße aus dem Elsass
Wolfgang (James)
P.S.: Wenn ich das Bild des Rigri-Hamburgers sehe kann ich mich noch genau an den guten Geschmack erinnern.
Tomaten Michel meint
Servus Wolfgang,
es freut mich riesig, in den Weiten dieser Cyberwelt noch auf jemand getroffen zu sein, der das Rigri in B.-Baden kannte und in der Zeit so wie viele damals auf den gleichen Pfaden dort gewandelt ist. Auch deshalb habe ich über meiner Erinnerungen diesbezüglich etwas geschrieben, So sehr ich bisher googelte, Rigri, Rondo, Schwarzwaldlhof… Fehlanzeige. Als hätte es diese doch sehr wichtige Epoche gar nicht gegeben. 🙂 Ich vermute mal, dass es zu wenig internetaffine Mitmenschen aus dieser wirklich wunderschönen Zeit gibt.
„James“ sagt mir was, aber ich finde dazu gerade nichts in meiner Erinnerungs-Schatulle. Damals hatten wir fast alle auch Spitznamen. Ja, und fast keiner hatte wirklich Geld , aber gefühlt auf nahezu allen Partys mit mal mehr und mal weniger viel Bier dabei. 🙂
Im Rigri hatten sie ein großes Herz für uns Schüler. Und im Schwarzwaldhof „tillten“ die Flipper manchmal die Freispiele gezwungenermaßen in die Höhe. Oftmals ist weniger doch mehr. Lach. Der Kreativität waren kaum Grenzen gesetzt.
Unglaublich viele Ehemalige scheinen raus aus B.-Baden zu sein. Schade.
Grüße ins Elsaß aus der Pampa in Croatia
Michel (“ Labse „)
Wolfgang Papenfuß meint
Hi Michael,
Danke für Deine schnelle Antwort. Also erstmal bewundere ich Deine exakte und vollständige Erinnerung an das Rigri. Wie machst Du das? Ich habe unheimlich viel aus dieser Zeit vergessen. Liegt wohl bei mir auch am frühen Suff.
Im Löwenbräu gab es immer den 11. Halben umsonst. Mit den Kumpeln Mike(auch Michael),und Pimpf(Günter)schafften wir das 3Mal in der Woche. Mindestens!!
Übrigens habe ich bei Kumpel Mike angefragt , der kennt das Rigri natürlich auch noch und schreibt das die Schale Soße sogar nur 30PF gekostet hat. Auch meine Frau Susanne(auch in Baden-Baden geboren) kennt das Rigri noch und bestätigt das.
In meinem Umfeld gibt es noch einen Bekannten aus dieser Zeit der“Schrott“
mit richtigen Namen Bertold Messing. Der hat mich auf eine Facebook Gruppe aufmerksam gemacht über das RAF,also Egons Club Raffael Dort wird über die alten Hits berichtet.. Es gibt noch die Faceboook Gruppe : Baden-Baden Gestern und Heute der Marita Kühn , die alte und neue Bilder von Baden postet.
Ein interessantes Buch über das Alte Baden-Baden.Titel: Der Schupo auf dem Leo“ Geschichten und Anekdoten aus Baden-Baden-unter anderem über „Tante Winke-Winke“
Auch den Tom im Schwarzwaldhof‘der immer die Freispiele draufgedreht hat kenne ich noch.Ist immer Nachmittags zum abmelken gekommen. Eine Zeitlang war das hintere Blech des 1.Flippers umgebogen,sodaß wir selbst die uns die Freispiele erzeugt haben. Und die Edda?
Nunja, ich ging übrigens aufs MLG.
Also viele Grüße in das hoffentlich wärmere Kroatien
James
Michel meint
James, ich werde später auf Deine letzte Reaktion eingehen. Muss auf FB mal schnell nach Deinen Tipps wühlen. Vor langerer Zeit war ich kurz in einer Gruppe, in der auch unser kleiner Star vom La Provence …Kamp? ganz heftig und nett vertreten war.
Dann ruft auch gleich das Schweinefilet mit frisch geschnitzten Pommes und Grüne Bohnen im Speckmantel von meiner Frau (echte Frau).
Und dann zwei, drei ?
Ach… nö, gesofft haben wir alle ganz gut. Nur mit Kiffen konnte ich so gar nichts anfangen. Erst mit 40 hatte ich „begleitet“ von einem befreundeten Drogenfahnder und seiner Gemahlin da die ersten spürbar angenehmen Erlebnisse. Spätzünder halt. Lach.
Bis bald
Michel
Steffen Malzacher meint
Ach wie schön, dass das Rigri noch nicht vergessen ist! Den Kartoffelpuffer im Brot nannten wir übrigens „Proletarier“????.
Schaschliksauce mit Brot: 30 Pf. Und an Weihnachten in der Fußgängerzone den Glühwein vom tragischen Badeblatt für 1 DM! In unerreichter Qualität, da aus gespendeten Restbeständen der örtlichen Weinhändler.
Liebe Grüße vom Steffen (ohne Spitznamen)
Tomaten Michel meint
Servus Steffen,
der „Proletarier“ war mir nicht mehr eingefallen, aber genau der wars! 🙂
Aus heutiger Sicht für mich noch genialer als damals schon, solche Großzügigkeiten seitens der Rigri-Betreiber. Die leckere Schaschliksoße gabs eine Zeit sogar kostenlos auf die Pommes.
Die Mitarbeiter vom tragischen Tageblatt hatten gute Kontakte zu den örtlichen Weinhändlern. Für 1 DM den Glühwein… nicht einmal für 3 Euro kriegst die Qualität heute 🙁
Liebe Grüße zurück 😉
Michel