Leichter Rückgang bei den Übernachtungszahlen an der kroatischen Adria, dafür in manchen Bezirken tief im Hinterland Rekordzuwächse. Wie wir erst vor wenigen Tagen über TV-Berichte und örtlichen Tageszeitungen erfahren haben, sind die Besucherzahlen zum Beispiel in Varaždin im Juli 2019 um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Diese attraktive Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten, lockt allerdings gar nicht so sehr die Besucher aus Wien, wie zu Zeiten der k und k-Monarchie an, sondern viel mehr Gäste aus Italien, die sich vermehrt für die urige Schönheit der Orte und der üppigen Natur im abwechslungsreichen Hinterland von Kroatien begeistern. Dabei scheint es sich mehr um eine Wiederentdeckung zu handeln. So furchtbar lange ist es nämlich nicht her, als ein Teil Kroatiens zu Österreich gehörte. Wer sich für Geschichte ein wenig interessiert, entdeckt viele bauliche Indizien. Erst durch die kleine Recherche zu meiner heutigen Meldung habe ich die Operette „Gräfin Mariza“ wieder entdeckt, in der im Duett „Komm mit nach Varaždin, so lange noch die Rosen blüh’n, Dort woll’n wir glücklich sein, wir beide ganz allein!…“ die Stadt an der Drau besungen wird. Auf Anhieb findet man dieses Liedchen auf Youtube von verschiedenen Interpreten, unter anderem von dem unvergessenen Entertainer Peter Alexander, vorgetragen.
Es tut sich viel im Raum Bjelovar und Umgebung.
Ob aus romantischen Gründen, wegen Entdecker-Laune oder um mal wieder einen kleinen Urlaub zu machen, bei dem das Preis-Leistungsverhältnis besonders angenehm auffällt, liegt man nicht nur in Varaždin und Umgebung richtig. Viel zu sehen und entdecken gibt es auch im Landkreis Osijek-Baranja, der in diesem Jahr 17 Prozent mehr Gäste als im Vorjahr begrüßen durfte. 22 Prozent mehr im Juli als im gleichen Monat des letzten Jahres, waren es in der Gespannschaft Međimurje.
Es geht also aufwärts im schönen Hinterland von Kroatien. Die abwechslungsreichen Landschaften mit unterschiedlicher Geschichte und Geschichten, bringen einen aber auch immer wieder zum staunen, wie ich bei meinen umfangreichen Entdeckungstouren schon vor vielen Jahren immer wieder festgestellt habe. Und noch lange habe ich nicht alles entdeckt, was mich als Liebhaber von vergessenen Orten und Häusern besonders interessiert. Dabei gibt es auch hier in meinem direkten Umfeld im Stadtkreis von Bjelovar mit dem Landkreis Bilogora, für mich allerhand zu entdecken. Noch zeigt sich das Leben hier nicht so hektisch wie andernorts, trotzdem fällt mir auf, dass seit etwa zwei Jahren die Betriebsamkeit in und rund um die einstige Militärgrenzstadt aus Kaiserin Maria Teresias Zeiten, stetig zunimmt. Weitere Landstraßen entstehen und alte werden ausgebaut. Neue Verkehrs-Kreisel sorgen für flüssigeren Autoverkehr an Straßenkreuzungen; ein neues Krankenhaus wird gebaut und manche alte Gebäudeteile-Teile modernisiert; eine ansehnliche Notruf-Zentrale mit nagelneuen Einsatzfahrzeugen ist seit einiger Zeit schon zu bewundern. Auffällig finde ich die vielen Parkplätze, sowie Zugänge zu städtischen und staatlichen Einrichtungen und Banken für Behinderte. Fördergelder der Europäischen Union zeigen also Wirkung, nachdem eine ganze Weile scheinbar niemand wusste, wie und für was man Unterstützung der EU beantragen kann.
Der weitere Zuzug von Gewerbebetrieben hat mit den steuerlichen Vorteilen, welche die Stadt Bjelovar bietet, zu tun. Andererseits siedeln sich kleine und größere Geschäfte gerne auch dort an, wo schon andere Geschäfte ab einem gewissen Bekanntheitsgrad zu finden sind. Insbesondere aus Deutschland bekannte Filialisten, wie die Drogerieketten DM und Müller, sowie Lidl, Kaufland, Takko, Deichmann und C&A bieten hier in Bjelovar ihre Waren an.
Die ersten Hinweisschilder, die auf Einrichtungen des Agroturismo auf dem Land hinweisen, stehen auch schon unübersehbar am Rand der Hauptverkehrsstraßen. Es werden sicher mehr werden, wenn auch in der Geschwindigkeit nicht so schnell, wie das in den letzten Jahren an der Adriaküste von Kroatien der Fall gewesen ist. Gut Ding will Weile haben, gehört in dieser Gegend zur normalen Gangart, und tatsächlich scheint die vergleichsweise Gemächlichkeit beim Entstehen geplanter Projekte, der Qualität zugunsten zu kommen.
Für mich zählt die Region in der meine Frau und ich leben, zu den Geheimtipps für Menschen, die gut und preiswert in einem angenehmen Umfeld leben wollen. Ich bin ziemlich sicher, dass die Vorteile einer aufstrebenden Gesellschaft wie dieser hier, noch recht lange zu spüren sein werden. Die Immobilien-Preise werden mit zunehmender Beliebtheit anziehen, davon gehe ich einfach mal aus. Doch es wird schon noch ein Weilchen dauern, denn mit solch einem Boom wie an der Meeresküste, rechne ich hier nicht.
Junge Leute wandern aus, alte wandern ein?
So könnte man mit einem Satz die Lage vor allem in der Provinz von Kroatien beschreiben. Wobei auch ältere, anders als sie es ursprünglich mal vorgehabt hatten, nicht mehr nach Kroatien zurück kehren. Einer der Hauptgründe dafür ist, weil sie sich im Alter mit ihren Krankheiten besser bei ihren deutschen Ärzten aufgehoben fühlen, als in ihrer alten Heimat. Dieses gesundheitliche „Absicherungsgefühl“ haben viele Leute insbesondere dann, wenn sie älter werden und erste Zipperleins sich bei ihnen bemerkbar machen. Es ist zwar sicher so, dass die Krankenhäuser in weiten Teilen Kroatiens nicht allerorts einen so hohen Einrichtungsstandard mit medizinischer Gerätschaft und moderner Einrichtung haben, wie zum Beispiel in Österreich oder Deutschland. Doch längst sind die Unterschiede in der Gesundheitsversorgung weder so deutlich sichtbar, noch so spürbar wie es vor einigen Jahren der Fall gewesen war. EU-Mitgliedschaft sei Dank, wurde schon vieles verbessert und an das Vorbild Deutschland angeglichen. Allerdings findet die Annäherung der Standards auch aus einem weiteren, weniger angenehmen Grund statt: In Deutschland wartet man als Kassenpatient – anders als früher einmal, oft noch länger auf einen Termin beim Augenarzt, als in Kroatien. Dies ist nur ein Beispiel meiner selbst gemachten Beobachtungen und eigenen Erfahrungen im neuen Deutschland, welches sparen will und muss, aber eben für ihre Bürger schon einmal einen besseren Service in Bezug auf Gesundheit geleistet hatte.
Lieber Zahnstein als gar keine Zähne?
Natürlich könnte auch ich an dieser Stelle auf den Missbrauch des Systems durch Ärzte hinweisen. Ebenso auf die unsinnigen Arztbesuche eingebildeter Kranker und weitere Kosten erhöhende Dinge eingehen, doch das würde auch nichts an der Tatsache ändern, dass es den Patienten früher mal besser (er)ging in Deutschland. Überall muss man zuzahlen, ob für Medikamente oder ärztlichen Leistungen, die von der Kasse nicht gedeckt sind. Zahnärzte plündern die Geldbeutel der Patienten, indem sie einem irgend eine externe „Spezialistin“ – früher war das einfach eine Zahnarzthelferin, für die „professionelle Zahnreinigung“ aufs Auge drücken. Das „Ja“ als Einverständniserklärung wird dem ohnehin ängstlichen Patient aus dem weit geöffneten Mund auf der Liege herausgepresst. Wer würde in der hilflosen Lage sich trauen „nein“ zu antworten. Je nach Grad des Schmerzes, würde man sich auch der Hexerei bezichtigen lassen und diese zugeben. Hauptsache, der Schmerz klingt ab. Von der Kasse bezahlte Zahnsteinentfernung würde zwar auch ausreichen, aber damit lässt sich nichts verdienen, so dass diese auch nicht (mehr) „professionell“ durchgeführt werden würde. Lassen wir es bei diesen kleinen Beispielen, welchen ich locker mehr als zehn weitere hinzufügen könnte.
Übrigens gibt es – man höre und staune – in Kroatien einen kleinen Zuschuss für alle Kassenpatienten, die eine neue Brille benötigen. Den gibt es in dem Land, in dem alle so gut und gerne leben, schon lange nicht mehr.
Wie auch immer, wer sein Leben und seine Glückseligkeit überwiegend am Vertrauen auf seinen Lieblings-Hausarzt festmacht, sollte auf jeden Fall in seiner nächsten Nähe bleiben, und ihm gegebenenfalls nachziehen, sollte dieser den Wohnort wechseln.
Lebensqualität wiegt mehr als gut bezahlter Job!
So sehe ich das, liebe Leserinnen und Leser. Natürlich wird jeder seine eigene Sichtweise, seine eigenen Wünsche und Träume haben. Für mich überwiegen die Vorteile hier im nicht berühmten Hinterland tief in der Natur von Kroatien zu leben, gegenüber einem gut bezahlten Job, der mich an einen Wohnort nagelt, den ich mir mangels besserer Alternativen eben ausgesucht hatte bzw. musste, um in dem Job arbeiten zu dürfen.
Seit ein paar Jahren will ich keinen Job mehr, weil ich mich – wie vielleicht einige von Ihnen schon gelesen haben, für ein anderes Leben hier in meiner Einöde in Nordostkroatien entschieden habe. Also ausgestiegen und ausgewandert bin, und eben als Teil-Selbstversorger lebe, der durch vorzeitige Auflösung der privaten Lebensversicherung, die mal als Altersvorsorge gedacht war, die wichtigsten Lebenshaltungskosten decken konnte. Ab dem 1.1.2020 geht es ein Jahr früher als geplant, aus gesundheitlichen Gründen offiziell in Rente. Das wird mir einiges leichter machen, auch wenn ich auf die gesundheitlichen Gründe für den Rentenstart gut hätte verzichten können.
Als Rentner kann man hier gut und gerne leben.
So viel wusste ich lange bevor mir Renteneinnahmen winkten. In dem Provinz-Städtchen Bjelovar gibt es bezahlbaren Wohnraum zur Miete. Eine sehr schicke, voll möblierte 3-Zimmer-Wohnung (90 m²) zum Beispiel für 300 €. Nur 200 € kostet eine Stadtwohnung in diesem Größenbereich, allerdings ohne Möblierung. Natürlich gehts noch billiger, weil etwas kleiner und einfacher für um die 150 €. Wer es sehr groß und luxuriös mag, findet auch für 600 € Monatsmiete Wohnungen auf über 170 m² Wohnfläche.
Gastarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus früheren Jahrzehnten sei Dank, gibt es vor allem am Stadtrand und in den umliegenden Dörfern teils mächtige Bauwerke an Wohnhäusern, die einst sinniger- später dann unsinnigerweise errichtet wurden. Man konnte damals so protzen, weil die Grundstücke in der Regel sehr groß waren, über die man im Eigentum verfügen konnte. Als unsinnig erwiesen sich vor allem die zwei- und dreistöckig errichteten Gebäude dann meist, als deren Erbauer älter wurden und feststellen mussten, dass die Kinder eigene Vorstellungen vom leben und wohnen in dieser Welt haben.
Ich kann nicht sagen, ob ich selbst damals schlauer als diese Leute gewesen wäre, die so hoch hinaus bauten, und als „Alte“ nur beschwerlich die Stiegen hinauf bewältigen mussten. Lieber auf dem zu Boden bleiben, wäre für die meisten Neureichen jedenfalls der bessere Weg gewesen.
Abgesehen von der späten Erkenntnis mancher kroatischer Häuslebauer, ging einigen vermutlich auch Geld und Lust aus, wie etliche Häuser bezeugen, die schon länger halb fertig bzw. im Rohbau der Natur überlassen wurden. Mato und Marica sitzen derweil bei Dr. Schmitt im Wartezimmer. In Stuttgart, Essen oder Bielefeld. Schade.
Tourismus, Zimmer vermieten, Internet und Lagerfeuer in der kroatischen Pampa?
Ja, genau in diese Richtung wird sich das Leben in der Region weiter entwickeln. Warum ich mit dieser Zukunfts-Weissagung mir so sicher bin, werde ich in meinem nächsten Blog-Eintrag erklären.
Ich wünsche allen, die sich für das wunderschöne Land interessieren, alles liebe und gute, und viel Vorfreude allen bei der Planung eines neuen Lebens, wo und wie auch immer.
Michel
Jana und Rainer meint
Hallo lieber Tomaten Michel,
mein Schneckchen und ich sind erst vor ein paar Tagen von unserer Italien-Kroatien-Tour mit dem WoMo zurück im oberbayerischen Heimatland. Covid 19 war nicht unser Problem gewesen. Wir kamen erstaunlich gut durch. Wahnsinns Begeisterung für dieses Bjelovar, diese unbekannte Oase auf dem von uns geplanten Rückweg über Spielfeld… Graz.
Nach Bjelovar gezielt gegoogelt dann auf Deinen launischen Blog gestoßen.
Alles gut, alles interessant und sehr authentisch.
Ein einziger, kleiner Kritikpunkt: Keine URLs, keine Links zu den von Dir beschriebenen Firmen. Wo und wie finden wir jemand, der so günstige Wohnungen anbietet?
Dürfen wir erfahren, wie man Deine bayerisch anmutende Stammkneipe findet?
Vorab vielen Dank für Deine Antwort.
Jana und Rainer
Tomaten Michel meint
Hallo Jana und Rainer,
verzeiht meine späte Antwort, aber die letzte Zeit hatte ich allerhand draußen zu tun. So ausführlich in allen Bereichen kann ich leider nicht (mehr) so sein, wie ich selbst mir das wünschen würde.
Aber aus unserer „bayerischen“ Stammkneipe will ich sicher kein Geheimnis machen: Vrata Bilogore heißt sie. Einfach nach dem Namen googeln!
In diesen Corona-Zeiten sind wir allerdings eher selten aus, also auch nicht in diesem schönen Ausflugs-Lokal zu finden.
Wollt ihr denn hierher ziehen, oder warum benötigt ihr Kontaktadressen zu Firmen?
Tut mir leid, aber meinen Blog betreibe ich rein privat ohne geschäftliche Interessen.
LG
Michel
Franz meint
Also ich bin begeistert von der Schönheit dieser Stadt.Ich bin gelernter Koch und eins meiner Söhne auch.Und da man in Österreich nicht mehr „normal“ leben kann würd ich jederzeit dort leben und arbeiten wollen sofern es dort überhaupt möglich wäre.Meine ExFrau ist kroatin und meine zwei Jungs haben daher Kroatische Wurzeln.Wenn jemand etwas weiß bitte bescheid geben.Lg aus Steyr
Mucki meint
Heizen tut ihr mit was?
Tomaten Michel meint
Mit Kaminofen und Klimasplitter. Und Sie?
Privatanonym meint
vielen Dank für die so ausführliche persönliche Beschreibung eures Lebens in der Einöde, die der Michel so mag. So offen und ungeschönt haben wir noch keine Berichte im Internet von Ausgewanderten gefunden.
Wie ist es denn heuer mit den Preisen. der Euro hat doch bei euch angeblich auch alles teurer gemacht?
Grüße aus Linz